Wegweisendes BSG- Urteil zu Erwerbsminderungsrenten

Rentenkürzungen der Rentenversicherungsträger sind rechtswidrig

Bernhard W. ist heute 61 Jahre und von Beruf Schlosser. 2004 erhielt er nach langem Rechtsstreit von der LVA rückwirkend zum 01.02.2002 eine Erwerbsminderungsrente bewilligt. Trotz dieses Erfolges trübt der ihm vorliegende Rentenbescheid seine Freude: diesem ist zu entnehmen, dass wegen „vorzeitigen“ Rentenbezuges ein Rentenabschlag durch Minderung des Zugangsfaktors festgesetzt wurde.

Diese Rentenkürzung entspricht der Praxis der LVA, die bei einem vor Vollendung des 60. Lebensjahres entstandenen Recht auf Rente wegen Erwerbsminderung die Rentenhöhe auch für Bezugszeiten vor dem Beginn des 61. Lebensjahres, dem frühestmöglichen Zeitpunkt der Möglichkeit, Altersrente zu beanspruchen senkt, indem sie einen Teil der ihr vom Versicherten erbrachten Vorleistung unbeachtet lässt.

Das BSG hat nun in einem Urteil vom 16.05.2006 ( B 4 RA 22/05 R) festgestellt, dass diese Vorgehensweise rechtswidrig ist. Erwerbsminderungsrentner, die bei Rentenbeginn das 60 Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unterliegen Rentenabschlägen nur, wenn sie die Rente über das 60. Lebensjahr hinaus beziehen.

Bernhard W. war zum Zeitpunkt des Beginns der Erwerbsminderungsrente 57 Jahre . Da er mit Vollendung des 60. Lebensjahres die vorgezogene Altersrente wegen Schwerbehinderung in Anspruch nahm, hat er nach dem Urteil des BSG gegen die LVA einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente in ungekürzter Höhe. Im Fall des Bernhard W. ergibt sich durch die gebotene volle Anrechnung der Vorleistung ( Zugangsfaktor 1 statt 0,919) eine monatlich um rd. 110 EUR erhöhte Rente. Da er die Erwerbsminderungsrente 36 Monate bezogen hat, kann er gegenüber der LVA einen Nachzahlungsanspruch von rd. 4000 EUR geltend machen. Das lohnt sich !

Das Urteil des BSG betrifft nach Angaben des Sozialverbandes Deutschland rund 200.000 Rentner. Sofern betroffene Rentner nicht ohnehin gegen die Rentenkürzung Widerspruch eingelegt hatten, sollten Sie schnellstmöglich bei der Deutschen Rentenversicherung Bund einen Antrag auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Rentenberechnung vor dem Hintergrund der BSG-Entscheidung vom 16.05.2006 stellen. Sollte die Deutsche Rentenversicherung Bund erklären, dass sie die vorgenommene Rentenkürzung nach wie vor für rechtmäßig erachten, ist gegen diese Entscheidung das Rechtsmittel des Widerspruchs und nachfolgend der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben.

Constanze Würfel Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht

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