Viele Rechtsfragen im Sozialrecht werden erst in der 3. Instanz vor dem BSG entschieden

Presse und Rundfunk berichten gelegentlich über eine „höchstrichterliche Entscheidung“. Im Sozialrecht trifft diese das Bundessozialgericht (BSG) mit Sitz in Kassel. Im Jahr 2014 wurden durch die Richter am BSG 2.539 Verfahren erledigt. Die meisten Verfahren vor dem BSG sind aus den Rechtsgebieten Krankenversicherung, Rentenversicherung und Grundsicherung (Hartz IV, Sozialhilfe). 2014 hatte das BSG 2.400 Neueingänge, davon 344 Revisionen und 2.056 Nichtzulassungsbeschwerden. Entscheidet ein Landessozialgericht und lässt die Revision zum BSG nicht zu, was überwiegend der Fall ist, muss zunächst eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG eingelegt werden, um dann eine Revision einlegen zu können. Eine Revision ist insbesondere nur zulässig, wenn die streitige Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSFG abweicht oder auf einem Verfahrensmangel beruht. Auf der Internetseite des Bundessozialgerichtes kann man sich informieren, zu welchen grundsätzlichen Rechtsfragen Verfahren anhängig sind. Ist am hiesigen Sozialgericht ein Verfahren anhängig, welches eine Rechtsfrage zum Gegenstand hat, die bereits beim BSG anhängig ist, ist es meist ratsam, diese Entscheidung abzuwarten und einem Ruhen des Verfahrens zuzustimmen. Auch wenn eine solche Rechtsfrage im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens anhängig ist, kann ein Ruhen des Verfahrens von Vorteil sein. Oft informieren die Behörden hierüber jedoch nicht. Gegenwärtig sind beispielsweise folgende Rechtsfragen am BSG anhängig: B 3 KR 3/14 R Fällt die Versorgung mit einer Perücke bei krankheitsbedingtem vollständigem Haarverlust bei Männern in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung?

B 3 KR 14/14 R Kann eine Versicherte die Versorgung mit einer Silikon-Fingerprothese für den Zeigefinger der rechten Hand beanspruchen?

B 3 KR 21/14 R Ist die Krankenkasse zur Kostenübernahme für orthopädisches Schuhwerk verpflichtet, wenn zwischen dem Versicherten und dem - nicht zum Kreis der Vertragswerkstätten gehörenden -Orthopädie-Schuhtechniker ein langjähriges Vertrauensverhältnis besteht?

B 10 EG 6/14 R Sind bei der Ermittlung des Erwerbseinkommens im Rahmen der Bemessung von Elterngeld auch fiktive Betriebsausgaben in Form von steuerlichen Abschreibungen (hier Absetzung für Abnutzung = AfA) zu berücksichtigen?

B 10 EG 1/15 R Besteht der Anspruch auf Elterngeld und Betreuungsgeld auch für Grenzgänger iS der EGV 883/2004 sowie deren Familienangehörige, bei denen zwar ein Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt vorhanden ist, die aber weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben?

B 9 SB 1/14 R Können auch psychische Störungen das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr iS von §§ 145 Abs1, 146 Abs1 SGB 9 (Merkzeichen G) begründen?

B 4 AS 11/14 R Zur Rechtmäßigkeit der Tilgung eines Mietkautionsdarlehens durch Aufrechnung mit 10 % des maßgeblichen Regelbedarfs.

B 4 AS 47/14 R Werden Stromkosten für den Betrieb einer Heizungsanlage seit dem 1.1.2011 vom Regelbedarf nach § 20 Abs 1 S 1 SGB 2 umfasst oder sind sie auch weiterhin als Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 zu berücksichtigen?

B 4 AS 49/14 R Können bei einem 60-jährigen Kläger Tilgungsraten für die Finanzierung eines zum Schonvermögen zählenden selbst genutzten Hausgrundstückes gem § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 übernommen werden, wenn die Resttilgung 18,7 % des Kaufpreises beträgt?

B 1 KR 27/14 R Sind Vertragsärzte auch dann noch nächsterreichbar, wenn andere Vertragsarztsitze in kürzerer Distanz zur Wohnung des Versicherten liegen; bejahendenfalls bis zu welcher Entfernungsdifferenz? Ist ein langjähriges Arzt-Patienten-Verhältnis ein zwingender Grund iS des § 76 Abs 2 SGB 5?

B 3 P 5/14 R Besteht ein Anspruch auf einen Wohngruppenzuschlag für Pflegebedürftige in einer familiär verbundenen Wohngruppe?

B 1 KR 7/13 R Können (erwerbsunfähige) Behinderte, die in einer Werkstätte für behinderte Menschen nach § 1 S 1 Nr 2 Buchst a SGB 6 versicherungspflichtig beschäftigt sind, Leistungen der Rentenversicherung zur medizinischen Rehabilitation beanspruchen?

B 2 U 5/15 R Steht eine Beschäftigte, die den Weg vom häuslichen Telearbeitsplatz zur Küche zurücklegt, um Wasser zum Trinken zu holen, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung?

B 2 U 19/14 R Steht die Teilnahme an einer Weihnachtsfeier der Beschäftigten eines Arbeitsteams unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn mit dem Dienststellenleiter die Durchführung von teaminternen Weihnachtsfeiern mit einer Arbeitszeitgutschrift vereinbart wurde und weitere zeitliche Vorgaben für deren Gestaltung bestehen?

Nähere Informationen erteilen die Unterzeichnerin und ihre Kolleginnen und Kollegen vom Netzwerk sozialrechtlich tätiger Anwälte in Leipzig (www.sozialrecht-leipzig.de) gern.

Constanze Würfel Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht

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