Konservierung von Keimzellen als Kassenleistung?
Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hatte zu entscheiden, ob eine Krankenkasse die Kosten für eine Kryokonservierung von Keimzellen (Spermiengefrierung) bei einem nicht zugelassenen, aber qualifizierten Leistungserbringer erstatten muss, wenn selbst die Kassenärztliche Vereinigung keinen zugelassenen Anbieter benennen kann.
Ein junger Mann erkrankte 2021 an Hodenkrebs. Durch die in Aussicht genommene Therapie drohte der Verlust der Zeugungsfähigkeit. Wenige Tage nach der Diagnosestellung sollte die Operation erfolgen. 2 Tage vor der OP unterzog sich der junge Mann einer Kryokonservierung.
Bei einer Kryokonservierung werden Keimzellen oder Keimzellgewebe entnommen und durch Einfrieren in flüssigem Stickstoff aufbewahrt, wodurch deren Vitalität über sehr lange Zeit aufrechterhalten wird. Damit bleibt die Möglichkeit einer späteren Kinderwunschbehandlung erhalten.
2019 führte der Gesetzgeber einen Anspruch von gesetzlich Krankenversicherten auf eine Kryokonservierung ein, bei denen eine potenziell keimzellschädigende Therapie erforderlich wird. Die Richtlinie des G-BA regelt im Auftrag des Gesetzgebers seit 1. Juli 2021 die Details des Leistungsanspruchs sowie die Anforderungen an Ärztinnen und Ärzte und reproduktionsmedizinische Einrichtungen.
Die Konservierung der Keimzellen des jungen Mannes erfolgte über eine Kinderwunschpraxis, die über eine kassenärztliche Zulassung verfügte. Allerdings – was zunächst nicht ohne Weiteres erkennbar war – erfolgte dies durch eine eigenständige GmbH, die bei den gesetzlichen Krankenkassen nicht als Leistungserbringer zugelassen ist.
Die Krankenkasse lehnte die Kostenübernahme mit der Begründung ab, die Kryokonservierung sei nicht von einem zugelassenen Leistungserbringer vorgenommen worden. Der Kläger hätte nach einem zugelassenen Leistungserbring suchen müssen. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern konnte jedoch selbst bis zum Ende des Berufungsverfahrens hierfür keinen einzigen zugelassenen Leistungserbringer in Bayern benennen.
Das erstinstanzliche Sozialgericht hat den Anspruch des Klägers grundsätzlich bejaht. Das Bayerische LSG hat nun mit Urteil vom 30.1.2024 die Entscheidung bestätigt. In einer Situation des sog. Systemversagens der gesetzlichen Krankenversicherung hat der Versicherte das Recht, Leistungen eines nicht zugelassenen - aber gleichwohl qualifizierten - Leistungserbringers in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall müsse die Krankenkasse dem Versicherten die Kosten erstatten, die er für die Konservierung seiner Keimzellen aufwenden musste. Wenn selbst die Kassenärztliche Vereinigung keinen zugelassenen Leistungserbringer benennen könne, seien dem Versicherten weitere Nachforschungen nach zugelassenen Leistungserbringern nicht zumutbar. Gegen diese Entscheidung hat das LSG die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.
Es bleibt also spannend…
Constanze Würfel
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht