Kindeswohl – gilt das auch für unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (UMF) ??
Für Minderjährige, die ohne ihre Eltern oder andere Sorgeberechtigte nach Deutschland einreisen sieht das Gesetz die Inobhutnahme durch das Jugendamt vor. Das Jugendamt muss von Amts wegen tätig werden und unverzüglich die Bestellung eines Vormundes durch das Familiengericht veranlassen. Dem Vormund obliegt die Wahrnehmung der Personen- und Vermögenssorge des Kindes, insbesondere Begleitung und Antragstellung im aufenthaltsrechtlichen Verfahren. Er hat auch alle erforderlichen Anträge auf Sozialleistungen zu stellen. In der Praxis wird ein Mitarbeiter des Jugendamtes zum Vormund bestellt. Oft ist dieser Vormund für bis zu 40 und mehr sogenannte Mündel verantwortlich. Leider hat dies zur Folge, dass das Kindeswohl im Rahmen der Inobhutnahme durch das Jugendamt nicht immer gewährleistet ist und notwendige Leistungen nicht erbracht werden. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF)erhalten daher in vielen Fällen nicht die Unterstützung, die ihnen nach dem Gesetz zusteht.
Die Inobhutnahme mündet nach dem Gesetz in ein Clearingverfahren in Verantwortung des Jugendamtes. In diesem Verfahren soll die persönliche und rechtliche Situation des Kindes/Jugendlichen geklärt werden. Der medizinische und (psycho)therapeutische Bedarf ist zu ermitteln und es wird nach Sorgeberechtigten/ Pflegepersonen/ Verwandten gesucht. Die notwendigen sozialpädagogischen Maßnahmen werden in einem Hilfeplanverfahren festgestellt. Soweit die Theorie - in der Praxis vertreten die Jugendämter die Auffassung, bei einer Inobhutnahme handele es sich nicht um eine Hilfe zur Erziehung nach dem SGB VIII, weshalb ein Hilfeplanverfahren nicht durchzuführen sei. Sind sie in Wohngruppen der Jugendhilfe untergebracht, steht ihnen neben dem Vormund ein Jugendsozialarbeiter für die alltäglichen Herausforderungen zu Seite. Wohnt der UMF mit Zustimmung des Jugendamtes bei Verwandten, ist die Betreuung durch das Jugendamt meist äußerst ungenügend. Ehrenamtliche Paten können hier unterstützend tätig werden. Das Jugendamt ist verpflichtet, den notwendigen Lebensunterhalt zu sichern. Grundlage bilden in der Praxis individuell abgeschlossene Einzelvereinbarungen. In diesen verpflichten sich die Verwandten, im Auftrag des Jugendamtes die Betreuung und Versorgung des UMF zu übernehmen. Geld gibt es dafür nicht. Das Jugendamt verpflichtet sich lediglich zur Zahlung eines Unterhaltsbetrag. Obwohl das Gesetz analoge Leistungen nach dem SGB XII vorsieht, werden oft im Vergleich zu deutschen Kindern nur geringere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährt. Da jedoch keine Leistungsbescheide ergehen und die Vormünder keine Rechtsmittel gegen Entscheidungen des eigenen Hauses einlegen, gestaltet sich die Durchsetzung der Ansprüche für UMF äußerst schwierig. Im Rahmen der Sicherung des Lebensunterhaltes sind auch die Kosten der Unterkunft (anteilig), Fahrtkosten (Schülermobilcard o.ä), Kosten der Mitgliedschaft in einem Sportverein, einer Klassenfahrt, einer notwendigen Nachhilfe etc. zu übernehmen. Dass muss man wissen. Anträge werden in Unkenntnis oft nicht gestellt. Werden sie gestellt, müssen die Verwandten der UMF in vielen Fällen in Vorleistung gehen. Diese Gelder fehlen dann für den laufenden Lebensunterhalt des jungen Menschen. Auch ist das Jugendamt verpflichtet, die Verwandten darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit einer Betreuung im Rahmen der Vollzeitpflege durch eine geeignete Pflegeperson besteht. Auf einen entsprechenden Antrag hin wird durch das Jugendamt geprüft, ob eine geeignete Pflegeperson zur Verfügung steht. Diese erhält dann Pauschalbeträge zum Unterhalt bei Vollzeitpflege (in Sachsen sind dies 676 EUR Sachaufwand und 237 EUR Pflege/Erziehung für die Altersgruppe 12-18 Jahre). Das ist eine große Entlastung für die betroffenen Familien – ob Flüchtlinge oder Deutsche. Ich würde mir wünschen, dass die Sozialleistungsträger hier ihrer gesetzlich verankerten Beratungspflicht umfassender nachkommen. Denn für alle gilt – das Kindeswohl steht im Mittelpunkt.
Constanze Würfel Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht