Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht…!
Der Gesetzgeber wollte im Interesse der Versicherten die Krankenkassen dazu bewegen, auf einen Leistungsantrag schneller zu entscheiden. Zu lange warten Patienten oft auf eine Entscheidung ihrer Krankenkasse, wenn sie bspw. ein Therapiedreirad, eine Psychotherapie, eine Liposuktion benötigen. Mit dem mit Wirkung zum 26.02.2013 in Kraft getretenen Patientenrechtegesetz hatte der Gesetzgeber verbindliche Fristen für die Entscheidung der Krankenkasse über einen Leistungsantrag eingeführt. Über einen Antrag auf Leistungen muss die Krankenkasse spätestens bis zum Ablauf von 3 Wochen nach Antragseingang entscheiden. In Fällen, in denen eine gutachterliche Stellungnahme (in der Regel des MDK) eingeholt wird, muss innerhalb von 5 Wochen nach Antragseingang entschieden werden. Hält die Krankenkasse die Frist nicht ein, gilt nach Ablauf der Frist die beantragte Leistung als genehmigt, sofern die Krankenkasse dem Versicherten keinen hinreichenden Grund für die Überschreitung mitteilt. Obwohl diese gesetzliche Neuregelung nun seit 3 Jahren in Kraft ist, gibt es noch immer Streit darum, wie sie auszulegen ist. Zahlreiche Verfahren vor den Sozialgerichten sind zu dieser Frage anhängig. Einige Gerichte legen das Gesetz so aus, dass die sogenannte „Genehmigungsfiktion“ den Versicherten nur die Beschaffung der Leistung etwas einfacher machen sollte. Der Versicherte sollte die Möglichkeit haben, sich nach Fristablauf die begehrte Leistung selbst zu beschaffen und dann von der Krankenkasse Kostenerstattung zu verlangen. Keinesfalls aber habe der Gesetzgeber damit die Vorstellung verbunden, dass auch "nicht zustehende" Leistungen fiktiv bewilligt werden sollten. Sowohl der Kostenerstattungsanspruch als auch der Sachleistungsanspruch unterlägen – auch nach Eintritt der Genehmigungsfiktion der Einschränkung, dass nur erforderliche Leistungen erbracht werden können, die dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen (so u.a. LSG Nordrhein Westfahlen, L 16 KR 154/14 B ER und L 16 KR 155/14 B). Folgt man dieser Auffassung, würde das würde bedeuten, dass die Krankenkasse trotz Fristablauf einwenden kann, die begehrte Leistung sei nicht erforderlich, nicht wirtschaftlich, nicht im Katalog der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung etc. Dann aber, so der Einwand vieler Versicherter und auch vieler Gerichte, würde die gesetzliche Neuregelung ins Leere laufen. Wo wäre dann die Verbesserung der Situation der Versicherten? Die Intention zur Neuschaffung des § 13 Abs. 3a SGB V, die auch darin bestand, Versicherte in ihrem Grundrecht auf Gesundheitsschutz vor den Folgen eines unangemessen langen Verwaltungsverfahrens zu schützen und eine zu langsam arbeitende Krankenkasse zu sanktionieren, wäre unterlaufen und es hätte genauso gut bei der bisherigen Rechtslage verbleiben können (so das LSG Schleswig-Holstein, L 5 KR 238/15 B ER, 20.01.2016, rechtskräftig). Das LSG für das Saarland hat mit einer Entscheidung vom 17.06.2015 eine gesetzliche Krankenkasse verurteilt, einem Versicherten die von ihm aufgewendeten Kosten für eine beantragte und von dieser zu spät abgelehnte Psychotherapie als Langzeittherapie zu erstatten. Der Versicherte hatte zuvor bereits eine Kurzzeittherapie bewilligt erhalten. Auf die Revision der Krankenkasse hin, hat das BSG am 8. März 2016 diese Entscheidung bestätigt. Der Versicherte habe die Leistung, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liege, aufgrund der Einschätzung seiner Therapeutin für erforderlich halten dürfen. Da die Krankenkasse über den Antrag nicht binnen drei Wochen entschieden habe, ohne hierfür Gründe mitzuteilen, gelte die Leistung als genehmigt (B 1 KR 25/15 R, 8.März 2016). In dem zur Entscheidung vorliegenden Fall ging es um eine Leistung nach den Psychotherapierichtlinien, wonach jeweils eine Einzelfallentscheidung zu treffen ist, ob ein Anspruch besteht oder nicht. Daher haben sowohl das LSG, als auch das BSG die Frage, ob eine Krankenkasse bei nicht vom Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung erfassten Leistungen (neue Behandlungsmethoden, wie bsp.weise die Liposuktion) nach Fristversäumnis mit dem Einwand, die Leistung sei nicht erforderlich bzw. entspräche nicht dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot gehört werden kann, noch nicht beantwortet. Zu dieser Frage ist eine weitere Revision beim BSG anhängig (B 3 KR 4/16 R). Es bleibt also spannend und für die Versicherten zu hoffen, die gut gemeinte Intension des Gesetzgebers, den Versicherten zur Durchsetzung ihres Grundrechtes auf Gesundheitsschutz ein wirksames Mittel in die Hand zu geben, durch die Gerichte bestätigt wird. Besser wäre natürlich eine klare gesetzliche Regelung, ein gut gemachtes Gesetz….
Constanze Würfel Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht