BVerfG hat das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe aufgehoben –

Selbstbestimmt leben heißt auch selbstbestimmt sterben

Das BVerfG hat mit seinem Urteil vom 26.2.2020, 2 BvR 2347/15; 2 BvR 2354/16; 2 BvR 1593/16; 2 BvR 651/16; 2 BvR 1261/16 das Recht auf selbstbestimmten Tod eindeutig gestärkt und § 217 StGB für verfassungswidrig erklärt. Die Verordnung eines tödlichen Medikaments durch Ärzte und die einen Suizid vorbereitende Tätigkeit von Sterbehilfevereinen sind ab sofort zulässig. Die Entscheidung des BVerfG ist überraschend eindeutig und führt zur sofortigen Unwirksamkeit der Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Sterbehilfe nach § 217 StGB. § 217 StGB stellt die geschäftsmäßige, auf Wiederholung angelegte Beihilfe zum Suizid unter Strafe. Erst im Jahr 2015 hat der Gesetzgeber diese Vorschrift ins StGB eingeführt. Nach einer heftigen und äußerst kontroversen Debatte im Bundestag hatte damals die Mehrzahl der Abgeordneten nach Aufhebung des Fraktionszwangs für das Verbot gestimmt. Hintergrund war eine sich auch in Deutschland ausbreitende Tätigkeit von Sterbehilfevereinen nach Schweizer Vorbild. Viele sahen darin die Gefahr, dass Menschen am Ende ihres Lebens zum Sterben gedrängt werden, um anderen nicht zur Last zu fallen oder Kosten zu verursachen. Nach Auffassung der Verfassungsrichter sei der Gesetzgeber mit der Fassung des § 217 StGB deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Nach der Formulierung des Gesetzes wurde nämlich nicht nur die gewerbsmäßige Hilfe zum Suizid durch Sterbehilfevereine, sondern auch die geschäftsmäßige Hilfe zum Suizid - und damit auch die Verschreibung einer zum Tode führenden Injektion durch einen behandelnden Arzt - unter Strafe gestellt. Die Strafvorschrift umfasste übrigens auch die suizidbezogene Beratung durch Rechtsanwälte. Mit diesem weitreichenden Verbot verletzt § 217 StGB nach dem jetzigen Urteil des BVerfG das Recht des einzelnen auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Dieses umfasse das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und in letzter Konsequenz auch das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben. Das BVerfG postuliert nun ein Recht zum Sterben in jeder Lebensphase. Der Gesetzgeber dürfe nicht das Vorliegen einer schweren, zum Tode führende Krankheit oder eines bestimmten Grades an körperlichen oder seelischen Qualen zur Voraussetzung für die erlaubte Suizidhilfe machen. Nach Auffassung BVerfG hat die Strafvorschrift des § 217 StGB faktisch die Wirkung eines Suizidverbots. Dem Sterbenden stehen keine realistischen Möglichkeiten zur Verfügung, sich das Leben zu nehmen. Damit werde ihm - so die Richter - das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben genommen. Die Entscheidung eröffnet dem Gesetzgeber dennoch grundsätzlich den Weg, die Sterbehilfe und deren Voraussetzungen zu regeln. Der Gesetzgeber dürfe dabei aber nicht die Motive oder religiösen Hintergründe der Entscheidung eines Sterbewilligen bewerten. Er müsse ihm Raum für eine selbstbestimmte Entscheidung lassen. Der Gesetzgeber und die Gesellschaft dürften auch alles versuchen, den Sterbewilligen umzustimmen. Dies könne u.a. durch Einführung einer Beratungspflicht, einer Bedenkenfrist nach erfolgter Beratung, durch Aufklärungspflichten für Ärzte und andere Berufsgruppen u.a. geschehen. Gesundheitsminister Spahn muss spätestens nun seine Haltung zum Suizid überprüfen. Ich finde – eine sehr gute Entscheidung unseres höchsten deutschen Gerichtes.

Constanze Würfel Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht

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