BSG schließt Lücke zwischen Arbeitslosen– und Rentenversicherung

Das Bundessozialgericht stärkt in einer aktuellen Entscheidung vom 24.2.2017 den Schutz von Personen, die nach zeitweiliger Erwerbsunfähigkeit Arbeitslosengeld beantragen.

Der erfolgreichen Revision gegen ein Urteil des Landessozialgerichtes Nordrhein-Westfalen lag folgender Fall zu Grunde:

Die Klägerin bezog ab dem 1.Oktober 2010 mit Unterbrechungen Arbeitslosengeld. Im Februar 2012 stellte der Rentenversicherungsträger eine volle Erwerbsminderung der Klägerin fest. Daraufhin stellte die Bundesagentur für Arbeit zum 8.3.2012 die Leistungen mit der Begründung ein, die objektive Verfügbarkeit der Klägerin sei krankheitsbedingt entfallen. Da der Rentenversicherungsträger die verminderte Erwerbsfähigkeit festgestellt hatte, entfiel auch die sogenannte Nahtlosigkeitsregelung des § 145 SGB III. Danach wird in den Fällen, in denen die Feststellung des Rententrägers, ob Erwerbsminderung vorliegt, noch aussteht, eine fiktive Verfügbarkeit unterstellt.*

Da Leistungsbeginn bei befristeten Erwerbsminderungsrenten nach § 101 Abs.1 SGB VI erst 6 Monate nach dem festgestellten Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung ist, gewährte die gesetzliche Rentenversicherung die Erwerbsminderungsrente erst ab dem 1. Mai 2012 – befristet bis zum 31.12.2013.

Nach dem Ende des Rentenbezuges meldete sich die Klägerin am 1. Januar 2014 wieder arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Dieses wurde ihr nur für die Dauer eines verbliebenen Restanspruches von 37 Tagen bewilligt. Die Bundesagentur für Arbeit berief sich auf die Regelung des § 26 Abs.2 Nr.3 SGB III, wonach Bezieher einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur dann der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung unterliegen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Rente versicherungspflichtig waren. Da zwischen der Einstellung des Arbeitslosengeldes am 08.03.2012 und dem Beginn der Erwerbsminderungsrente am 01.05.2012 eine Lücke bestand, könnten in Anwendung dieser Vorschrift die Zeiten des Bezuges der vollen EM-Rente nicht berücksichtigt werden.

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Die Zeiten des Bezuges der Erwerbsminderungsrente sind trotz der Lücke als Anwartschaftszeiten für den Arbeitslosengeldbezug zu berücksichtigen. Da Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet werden und deshalb nicht vor Beginn des siebten Monats nach Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Leistungsfall) einsetzen, könnten immer dann Lücken von mehr als einem Monat zwischen dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges und dem Beginn der Erwerbsminderungsrente auftreten, wenn die Feststellung der Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger frühzeitig erfolgt. Der Schutzzweck des § 26 Abs.2 Nr.3 SGB III sei, den Arbeitslosenversicherungsschutz nach zeitweiliger Erwerbsunfähigkeit auf den Arbeitsmarkt zurückkehrende Personengruppen zu verbessern. Dieser schließe es nicht aus, bei einzelnen Tatbeständen Unterbrechungszeiträume von mehr als einem Monat als Versicherungszeit anzuerkennen.

Aus meiner Sicht ist dies für die Praxis eine sehr wertvolle Entscheidung, die den Übergang von einer befristeten EM-Rente -wieder auf den Arbeitsmarkt erleichtert.

*(Übrigens: Zu der Frage, ob die Fiktion der Verfügbarkeit durch die Nahtlosigkeitsregelung mit der Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger oder erst mit Beginn der Rentenzahlung endet, ist ebenfalls ein Verfahren vor dem BSG anhängig (Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, 09.06.2016;1 AL 94/14). Ich bleibe dran…

Constanze Würfel Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht

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