BSG entscheidet - Krebs als Berufskrankheit auch bei ehemaligen Rauchern

Der aktuellen BSG-Entscheidung vom 27.09.2023, Aktenzeichen B 2 U 8/21 R, lag folgender Fall zugrunde:

Der 1956 geborene Kläger war von 1998 bis 2013 u.a. als Schweißer in der Herstellung von Großkücheneinrichtungen beschäftigt. Die Tätigkeit umfasste das Schweißen von Fettbackgeräten. Zur Rissprüfung von Schweißnähten verwendete der Kläger azofarbstoffhaltige Sprays, die zunächst auf das Werkstück aufgesprüht und dann mit einem Lappen weggewischt wurden und das kanzerogene aromatische Amin o-Toluidin enthielten.

2014 wurde bei ihm Harnblasenkrebs diagnostiziert. Der behandelnde Arzt reichte bei der zuständigen Berufsgenossenschaft (BG) eine Verdachtsmeldung hinsichtlich der Berufskrankheit 1301 ein. Die BG lehnte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nummer 1301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine - BK 1301) ab. Als außerberufliche Ursache komme der langjährige Nikotinkonsum des Klägers in Betracht, der zu einer Verdoppelung des Erkrankungsrisikos geführt habe.

Die daraufhin eingereichte Klage des Klägers auf Anerkennung einer BK 1301 war vor dem Sozialgericht erfolgreich. Dagegen hat das Landessozialgericht die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Die BK 1301 gäbe zwar keine Mindestexpositionsmenge vor. Die Einwirkungsdosis an o-Toluidin erreiche jedoch nicht annähernd Werte in Höhe der Technischen Richtkonzentration (TRK-Wert). Die berufliche Einwirkung sei daher nicht hinreichend wahrscheinlich Ursache der Harnblasenkrebserkrankung. Es sprächen ebenso gute Gründe für eine andere Verursachung.

Der 2. Senat des Bundessozialgerichts entschied auf die Revision des Klägers jedoch zu seinen Gunsten. Die Harnblasenkrebserkrankung eines Schweißers könne wegen der beruflichen Einwirkung aromatischer Amine trotz langjährigen Rauchens als Berufskrankheit anerkannt werden, wenn der Nikotinkonsum nach jahrelanger Abstinenz nicht mehr hinreichend wahrscheinlich die Krebserkrankung verursacht hat. Die Berufskrankheit Nummer 1301 setze keine Mindesteinwirkungsdosis aromatischer Amine voraus. Konkrete außerberufliche Ursachen der Erkrankung seien ausgeschlossen. Insbesondere sei mit der Aufgabe im Jahr 2000 das Rauchen nicht mehr hinreichend wahrscheinlich eine Ursache der Krebserkrankung des Klägers.

Für den Kläger ist dies ein positiver Ausgang des Rechtsstreites – jedoch trotzdem kein Grund, nicht doch mit dem Rauchen aufzuhören – denn auch das zeigt die Entscheidung – dafür ist es nie zu spät!

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht

Constanze Würfel

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